Wir ernten, was wir säen? Gott und die Welt
In den Kirchen ziehen wieder die Erntekronen ein, der Altar wird mit zahlreichen Erntegaben eingedeckt und wir ernten, was wir gesät haben und sagen dafür Dank.
Inzwischen schmücken nicht nur Erntegaben vom Feld die Altäre zu Erntedank, sondern auch haltbare Lebensmittel zieren die Erntetische. Mancherorts sieht es mehr aus wie ein Supermarktregal als ein kleiner Hofladen. Doch diese Erntegaben haben auch einen sinnvollen Zweck: Es sind Spenden für die Tafel. So bekommt Erntedank eine neue Dimension. Es wird auch denen gedacht, denen das Geld für Saat fehlt und gar nichts ernten können. Auch das ist Erntedank. Denn wir werden daran erinnert, dass wir so Vieles im Leben nicht beeinflussen können.
Traditionell wird an Erntedank für die Ernte gedankt. Dabei danken wir nicht uns selbst und unserer Leistung, denn es gibt so viel, was außerhalb unserer Hand liegt. Wenn wir auf die Ernte blicken, danken wir dem Regen, der Erde, unserer Gesundheit und Gott. Wenn wir auf die Spenden für die Tafel blicken, dann erinnern wir uns daran, dass einige mit mehr Glück und Wohlstand geboren werden und dass nicht alle die gleichen Chancen haben. Und so vieles Unvorhergesehenes dazu führen kann, dass wir uns auf einmal das Brot nicht mehr leisten können: Krankheit, eine Scheidung, Arbeitslosigkeit, Krieg oder Flucht.
So ganz stimmt der Satz, „wir ernten, was wir säen,“ also nicht. Zu Vieles gibt es in unserem Leben, was wir nicht beeinflussen können. Bei Vielem sind wir auf das Zurückgeworfen, wo unsere Saat gestreut wurde, und wo wir wachsen. Deswegen ist das Erntedankfest nicht nur eine gute Gelegenheit dankzusagen für all das, was nicht in unseren Händen liegt, sondern ein Anstoß zu hinterfragen, wie unsere Lebensmittel verteilt sind und mal wieder das Brot miteinander zu teilen.
Ihre Anni Schöbel
Pastorin
Ev.-Luth. Kirchengemeinde Alt-Rahlstedt
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