Erika K., geboren 1924 in Hamburg

Ihre Kindheit bezeichnet Frau K. als harmonisch. Sie wächst mit ihren Geschwistern bei den Eltern in Eimsbüttel auf. Sie hat viele Freundinnen und sie spielen oft draußen, an der frischen Luft. Bald schon zeichnen sich zwei Dinge ab, die Frau K.s ganzes Leben über wichtig bleiben sollten: Da ist zum einen ihre große Liebe zu Pflanzen, zu allem, was wächst und blüht.

Viel bedeutsamer noch für die Folgejahre war ihre ganz früh entdeckte Begeisterung für alles Technische – welch ein Kontrast zur Liebe zu Pflanzen! Vermutlich war bei kleinen oder auch jungen Mädchen in jener Zeit das Interesse an Technischem nicht sehr verbreitet und wohl auch nicht immer gern gesehen! Frau K. beschreibt diese Faszination in kleinen Anekdoten: Für ihr Beet im Schrebergarten musste ein Zaun hergerichtet werden? Erika konstruierte einen aus alten Fahrradketten. Oder: Eines Tages staunte das kleine Mädchen, etwa vier bis fünf Jahre alt, über die Leuchtziffern auf dem Wecker im Schlafzimmer ihrer Eltern. Sogleich holte sie sich eine Haarklemme und kratzte damit die leuchtende Substanz aus den Ziffern und Zeigern des Weckers. Würden die jetzt wohl immer noch leuchten? – Ob sie denn dafür nicht sehr ausgeschimpft oder gar bestraft worden sei? – Nein, an so etwas könne sie sich nicht erinnern. Man hat ihr Interesse an allem technischen Getüftel offenbar wohlwollend begleitet – was für aufgeschlossene Eltern müssen das gewesen sein! Die Freude am Experimentieren würde später maßgeblich den Berufswunsch des Mädchens bestimmen.

Jahre später. Erika K. hat inzwischen das „Einjährige“ (entspricht in etwa unserem heutigen Mittleren Schulabschluss) absolviert und nun steht die Berufswahl an. Es soll - natürlich - etwas Technisches sein! Das Arbeitsamt verweist sie an Blohm und Voss, Abteilung Flugzeugbau. Dort fordert man sie auf, sie möge doch einmal etwas zeichnen. Aber was denn? „Na, irgendwas!“ Und Erika malt - ein Flugzeug! Das ist ihr dann offenbar so gut gelungen, dass sie prompt angenommen wurde: Nach einer weiteren Prüfung erhält sie eine feste Anstellung und wird zur technischen Zeichnerin ausgebildet. (Man muss hierzu wohl anmerken, dass aufgrund der Kriegsvorbereitungen ein Mangel an männlichen Bewerbern geherrscht haben dürfte; viele waren bereits eingezogen). Heutzutage hätte sie vermutlich ein Studium angeschlossen, daran war damals, im Krieg, aber nicht zu denken.

Bis zum Kriegsende arbeitet sie dann als Versuchstechnikerin in der Versuchsabteilung Flugzeugbau, betreibt unter anderem Forschung im Windkanal. Sie ist die einzige Frau, umgeben von jungen Männern. Diese waren offenbar „u.k.“ gestellt, „unabkömmlich“; d.h. man befand sie zum Beispiel in der Rüstung als wichtiger als im direkten Kampfeinsatz. - Erst später kamen einige Kolleginnen (Zeichnerinnen, Sekretärinnen) hinzu.- Frau K. war in Hamburg an verschiedenen Orten tätig, so etwa in der Versuchsanstalt Barmbek, wo Wasserflugzeuge und Schwimmkörper hergestellt und begutachtet wurden. Andere Einsätze führten sie nach Braunschweig und Berlin. Auf meine Frage nach dem militärischen Charakter ihrer Tätigkeit berichtet sie vornämlich über ihren Bruder, der bei der Luftwaffe war und dort im technischen Bereich arbeitete. Das habe ihr Interesse in besonderer Weise geweckt.