Georg Stefaniak, geb. 1930 in Bialystok, Polen, ist ein bescheidener und liebenswerter Mann. Er hätte sich früh mit den Lebensumständen abgefunden, doch gab es immer wieder Menschen, die es gut mit ihm meinten und ihn weiter vorantrieben. Erst seine Mutter, dann seine Frau und später sein Chef. Sein Beruf ist leicht zu erkennen, wenn man sein Haus betritt oder den gut gepflegten Garten bewundert. Er hat einen grünen Daumen.
Geboren wurde ich 1930 in einer ziemlich großen Stadt in Polen namens Bialystok. Meine Eltern waren zwar beide in Polen geboren, meine Mutter war allerdings Deutsche und der Vater Russe. Für mich war es nicht leicht, den Ort als meine Heimat zu sehen. Oft wurde ich von den polnischen Kindern gehänselt, weil ich Deutscher war. Früher war die Toleranz noch nicht so groß wie heute. Die Familie meiner Mutter war evangelisch, die meines Vaters russisch-orthodox. Die Polen waren größtenteils katholisch.
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Ich wuchs als Einzelkind mehr oder weniger bei den Großeltern auf. Das gefiel mir auch gut. Der Großvater Gustav kam aus Deutschland und war nach seiner Lehre zum Sattler und Polsterer auf Tippeltour über Österreich in Polen hängen geblieben. Er hatte eine Werkstatt für Pferdedroschken, Landauer genannt. Die wurden dort gespritzt, bemalt und repariert. Damit kam er ganz gut zurecht. Damals gab es ja noch keine Taxen. Die Droschken standen in einer langen Reihe und wenn man irgendwo hin wollte, dann ging es los mit den Pferden. Mit dem Großvater hab ich viel gemacht. Wir waren zusammen angeln oder sind mit dem Fahrrad übers Land gefahren, ich vorn auf der Stange. Das waren wunderbare Zeiten. Übernachtet haben wir dann irgendwo in einer Scheune im Stroh. Wir hatten auch einen schönen Gemüsegarten, von dem wir leben konnten. Großvater hatte auch viele Freunde und Bekannte, die er am Wochenende besuchte.
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Mutter hatte im Krieg noch einmal geheiratet, den Polizeibeamten Rathke. Den hab ich fast nie gesehen, weil er in Gefangenschaft geriet. Er hatte in Hamburg Familie und so kamen wir nach Bergedorf. Er war ursprünglich Tischler und hatte nach seiner Freilassung eine Arbeitsstelle in Curslack in den Vierlanden gefunden.
Meine Mutter und mein Stiefvater hatten nur ein Zimmer. Deshalb bin ich mit meiner Mutter den Elbdeich abgelaufen und sie hat überall gefragt, ob jemand einen Jungen zum Arbeiten brauchen könnte. Bin auf dem Krauel bei Kirchwerder hängen geblieben. Ich hatte ein Zimmer unterm Dach mit einem schönen Blick, die Landschaft glitzerte im Winter. Dort hab ich es gut gehabt, ich wurde sehr sehr gut behandelt. Binnendeichs ging es unten ins Haus, butendeichs direkt vom Deich in die gute Stube. Und ich wohnte noch ein Stockwerk höher. Die Frau, die dort wohnte, war allein, ihr Mann war wohl gefallen, sie hatte eine 20-jährige Tochter. Und der alte Opa lebte noch da, mit dem hab ich mich gut verstanden. Wir haben zusammen Schnaps gebrannt. Wenn der alle war, sagte er: „Du musst mal wieder anfangen, Jung!“
Von da an ging es aufwärts. Zwei bis drei Jahre bin ich dort gewesen, dann hat Mutter mich da weggezogen. Der Junge sollte was lernen! Da lag es nahe, Gärtner zu werden. Meine Mutter war eine nette gute Frau, aber mir gegenüber war sie rigoros, sie hat mich gegen meinen Willen da weggeholt. Sie konnte sich durchsetzen. Ich bekam eine Lehrstelle zum Gärtner in Bergedorf und wohnte in Tiefstack bei Mutter und meinem Stiefvater. Sie hatten eine Einzimmer-Werkswohnung. Die Lehre ging vom 1. April 1949 bis zum 31. März 1951. Ich bin jeden Tag mit der Bahn gependelt. Das gefiel mir gut. Die Gärtnerei hatte auch einen Blumenladen, aber noch kein Auto. Für eine Beerdigung musste ich mal fünf Kränze nach Lohbrügge bringen. Die hab ich mir alle an mein Fahrrad gehängt. Der Polizist auf dem Marktplatz hielt mich an und fragte: „In welchem Zirkus bist du denn?“
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1954 konnte ich dann als Staatsbediensteter im Stadtpark anfangen. Ab 1959 wurde ich in der Baumschule in Langenhorn eingesetzt. Am 30. September 1960 hab ich meine Meisterprüfung bestanden. Mein Chef hatte mich da hingejagt: „Du machst deinen Meister, du bist wohl verrückt!“ Mit dem hab ich mich gut verstanden, sein Grab mache ich heute noch. Für die Meisterprüfung brauchte ich ein Schulabschlusszeugnis, das hatte ich ja nicht, ich konnte die Schule ja durch den Krieg nirgends beenden. Ich schrieb nach Forst, wo ich zuletzt zur Schule ging, und bekam ein wunderschönes Schreiben, dass wegen der Kriegsereignisse keine Zeugnisse mehr vorhanden wären. Da hatte ich wieder Glück gehabt.
Ich kam dann nach Öjendorf, da wurde der neue Friedhof gebaut und ich hatte durch meine Lehre die meiste Ahnung von Gehölzen. Da bin ich hängen geblieben und hatte eine ganz gute Position. Ich hatte etwa 20 Leute unter mir und hab auch ausgebildet. Von da an ging es bergan. Ich hatte durch meine Erfahrungen immer viel Verständnis für die Mitarbeiter gehabt. Wenn es etwas zu feiern gab, saßen wir alle lange zusammen, da ist keiner nach einer Stunde nach Hause gegangen. Die musste man nach Hause jagen.
Meine Arbeit war ganz große Klasse, ich habe immer noch Kontakt, ich war der einzige Fachmann aus der Baumschule und ich habe gern gearbeitet. Ich fahre dort heute noch hin. Wenn ich jemanden treffe, erzählen alle, dass es heute schlechter ist, die Zeit hätte sich verändert, es gäbe nur noch Vorschriften. Es gibt keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr. Die Arbeitswelt ist so unangenehm geworden. Früher hatte man auch mal mit dem Briefträger ein Wort wechseln können oder jemand konnte mal ein Stück Holz mitnehmen, das geht heute nicht mehr, das muss man bezahlen. Der Öjendorfer Friedhof trägt meine Handschrift. Das ist schön zu sehen.