Sonja M. Schoof: Mädchen mit roten Haaren

Eine Begegnung,
die unsere Seele berührt,
hinterlässt eine Spur,
die nie ganz verweht.
(unbekannt)

„Ich war kein bequemes Kind, ich war immer sehr lebendig gewesen und neugierig. In der Schule kam ich mit der Lehrerin gar nicht klar, ich war rothaarig und sie spottete oft darüber mit dem Satz: ‚Wer rote Haare hat, ist von Gott gezeichnet´. Das fand ich so empörend und bis zum Ende der Schulzeit hing ich mit ihr im Clinch, ich hatte mich immer gewehrt.“ Sie beschwerte sich bei den Großeltern. „Die wollte auch, dass ich weg von den Großeltern sollte, da diese zu alt wären für mich. Mein Opa kam aus Ostpreußen und war Preuße durch und durch und in der Schule sollten wir den Hitlergruß sagen. Er sagte aber zu Hause immer zu uns: ‚Der deutsche Gruß heißt Guten Morgen oder höchstens Heil Gott´, was ich dann auch in der Klasse sagte. Er musste dann auf dem Kiez* aufs Amt und ich hatte Angst, dass er weg muss, aber sie haben ihn laufen lassen, da waren wir alle glücklich. Das kriegst Du ja als Kind mit. Heute weiß ich, dass das alles Nazis waren auf der Großen Freiheit. Somit war ich auch deswegen verpönt in der Klasse. Außerdem war ich mollig und Schlachters Tochter, wir hatten immer was zu essen, die annern nix. Ich hatte etwas mehr auf den Rippen. Die annern haben dann Steckrüben als Brot mitgenommen und ich kriegte ja Brot mit Wurst und Aufschnitt drauf und dann hab ich die getauscht. Das fand ich immer sooo toll, ne. Ich wollte dann auch mal Steckrüben haben. In der Kriegszeit wurde ja alles aus Steckrüben gemacht, Kaffee, Gebratenes oder Gebackenes.“

Sonja war Einzelkind und manche Katholiken hatten viele Kinder. Im Haus lebte Mutter Olgens mit ihren vier Kindern, der Mann war mit einem U-Boot untergegangen. Inge, die Jüngste, hat ihren Vater gar nicht mehr kennen gelernt. Bei den Olgens fühlte sich Sonja richtig wohl. Die aßen oft Haferschleimsuppe mit Köllnflocken, das wollte Sonja auch mal probieren. Oma sagte dann zu ihr: „Du gehst doch nicht da rauf, ohne etwas mitzunehmen“, und sie gab ihr manchmal etwas mit. Sonja klaute schon mal eine Mettwurst, die Opa immer an der Decke über dem langen Tresen an einer Stange abgezählt trocknen ließ. „Ich stieg dann auf den Tresen, habe die Wurst dahinter geschmissen, Papier drauf und dann habe ich sie in meine Trainingshose gestoppt, großen Pullover drüber und Opa hat es nicht gemerkt. Mutter Olgens hat sich gefreut, aber dann auch gefragt, ob ich die geklaut hätte. Ich rief laut aus: ‚Nein, oh nein‘. Ich konnte das nicht ab, die hatten ja nix zu essen, das tat mir sooo weh.“ Sonja wusste auch immer, wenn Mutter Olgens Milchsuppe mit Zucker machte, was es bei ihr zu Hause nie gab. Sie war dann selig, wenn sie mitessen durfte, was oft geschah, auch wenn Oma wiederholt darüber schimpfte. Die Familie wohnte in einer kleinen Wohnung der Katholischen Kirche, nur mit Gaslicht, und Sonja kannte schon elektrisches Licht. „Wie die da abends immer noch kochen konnten und wie sie ihr Leben geschafft haben, die Frauen im Krieg.“ Mit Inge Olgens ging sie in dieselbe Klasse, doch von heute auf morgen wurden die Evangelischen von den Katholischen getrennt. „Wir sollten nichts mehr miteinander zu tun haben laut Anordnung von oben. Inge und ich aber spielten nach wie vor miteinander.

Ausschnitt aus der Biografie von Frau Schoof